„Polarisierung und Verhetzung in Österreich“

Written by on 6. Dezember 2016

Mitten drin im Martin-Luther-Gedenkjahr. Ein Spielzeug-Hersteller hat eine Figur von ihm in den Handel gebracht, die ein Verkaufsschlager ist. Von diesem „Mini-Luther“ gibt es mittlerweile eine Million Exemplare, für den Hersteller ist es die erfolgreichste Einzelfigur. Martin Luther soll Lehrsätze im deutschen Wittenberg an die Kirchentüre geschlagen haben. Er gilt als Erneuerer, der sich gegen die Selbst-Herrlichkeit der katholischen Kirchenmänner gewendet und den Grundstein für die evangelische Kirche gelegt hat. – Neben „Luther“ gibt es viele andere aktuelle Themen für ReligionsforscherInnen, etwa die Flüchtlingskrise und das Wirken von Papst Franziskus. Regina Polak ist Religionsforscherin an der Universität Wien und diesmal im „Wissenschaftsradio“ zu Gast.

Dass der bei der Bundespräsidentenwahl unterlegene Norbert Hofer in seinem Wahlkampf auf den Plakaten einen Gottesbezug hergestellt hat, beurteilt Polak so: „Ich bin grundsätzlich immer skeptisch, wenn sich PolitikerInnen auf Gott berufen. Egal, ob sie rechts, links oder Mitte sind. Schlicht und ergreifend deswegen, weil man aus der biblischen Tradition lernen kann, dass die Berufung von Mächtigen auf Gott nicht funktioniert.“ Gott unterstütze, wenn man die Bibel genau lese, auf lange Frist niemals die „politischen Machthaber“, sondern stehe immer langfristig auf Seite derer, die „aus den Gesellschaften ausgeschlossen“ seien, so Polak. Von der Praxis Hofers, sich auf Gott zu berufen, habe sie nicht den besten Eindruck: „Durch die Art der Konflikte, die seit dem Wahlkampf laufen, nehme ich eine unglaubliche Polarisierung und Verhetzung in Österreich wahr.“

Was die weltpolitische Lage durch den neuen US-Präsidenten Trump betrifft, befürchtet Polak, dass religiöse Spannungen zunehmen: „Der soziale Zusammenhalt wird noch fragiler, der Rassismus wird zunehmen“. Die zentrale Ursache dafür ortet sie aber in der „ungleichen und ungerechten Verteilung von materiellen und geistigen Ressourcen und Mitteln auf dieser Welt, infolge eines neoliberalen Wirtschaft-Systems. Damit meine ich, dass die Freiheit der Märkte und des Individuums Vorrang haben vor der Gemeinschaft“, erläutert die Forscherin.

Welche Bilanz sie über das Wirken von Papst Franziskus nach mehr als drei Jahren Amtszeit zieht, an welchen spannenden Themen sie im Zusammenhang mit Israel forscht und wie sie über die Macht der Kirche bei Bestellungen von wichtigen Positionen an der Universität sowie das Zölibat (Ehelosigkeit von Kirchenmännern) denkt, verrät sie im „Wissenschaftsradio“.  Zudem legt sie ihre Sicht zur Frage dar, ob Franziskus Kirchenaustritte, die nach dem Bekanntwerden von Missbrauchsvorfällen aufgetreten sind, stoppen kann. (Anm.: Die „Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt“ kritisierte eine turbulent verlaufende Gedenkveranstaltung für Missbrauchsopfer im Parlament in Wien, weil Opfer dabei nicht selbst zu Wort kamen und diese mit „Almosen abgespeist“ wurden, wie die Plattform in einer Aussendung schrieb.) – Ein weiteres, streitbares Thema bleibt offenbar auch der Umgang der Kirche mit geschiedenen Wiederverheirateten: VertreterInnen der katholischen Kirche äußerten, dass sie sich bei diesem Thema klarere Aussagen von Franziskus wünschen. – Klar mit der Zeit geht die Kirche, was digitale Trends betrifft: Mit einer „App für SünderInnen“ soll abgerufen werden können, welche Beichtstühle in Kirchen in der Nähe frei sind. Damit möchte die Kirche auch wieder mehr junge Leute für den Glauben gewinnen – ob das gelingt, wird sich zeigen …

Der Podcast zum Nachhören:

 Credit: Pixabay / CC0 Public Domain


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