Sorge vor Zerfall der EU

Written by on 15. März 2016

Zu Gast im Wissenschaftsradio ist Dieter Segert, der Leiter des Instituts für Politikwissenschaft an der Uni Wien. Er erklärt, warum er ein Zerbrechen der EU befürchtet – Stichwort „Flüchtlingskrise“ – und weshalb die Sowjetunion vor 25 Jahren zerfallen ist.

Im Gefolge der Flüchtlingskrise sieht Dieter Segert die Gefahr des Zerbrechens der Europäischen Union. Diese Woche findet ein Gipfel der EU-Staaten und der Türkei statt, in der die Flüchtlingsthematik behandelt wird. Spannungsgeladen ist dieses Treffen auch deshalb, weil Mitglieder der britischen Arbeiterpartei offen für einen Ausstieg Großbritanniens aus der EU („Brexit“) eintreten. Am 21. Juni stimmen die BritInnen über den Verbleib Großbritanniens in der EU ab. Auch wenn es bereits Zugeständnisse an Großbritannien bei einem anderen EU-Gipfel gab, ist völlig offen, wie diese Abstimmung ausgeht.

KritikerInnen werfen Dieter Segert immer wieder seine Zeit als Mitglied einer Basis-Gruppe der SED (Staatspartei) in der früheren DDR (Deutsche Demokratische Republik) vor. In der Gruppe arbeitete Segert an einer Erneuerung der DDR, die eine Diktatur darstellte. Für die BürgerInnen sollte es mehr Mitbestimmung und Freiheiten geben. Er stehe zu seiner Vergangenheit und betreibe kein Marketing, um sie zu „optimieren“, so Segert sinngemäß. Es gehe darum, wie sich ein Mensch in seinen Ansichten verändert hat und er habe heute eine andere Sicht auf die DDR. Er gesteht eigene Fehler ein und bekennt, dass der damalige DDR-Politiker Günther Schabowski versucht habe, die Arbeit der „Erneuerungsgruppe“ zu kontrollieren. Mangelnde Objektivität sei ihm von Studierenden noch nicht vorgeworfen worden.

In der DDR war nicht alles Unrecht, meint Segert. Sie sei auch eine Gesellschaft und mehr als ein Gebilde von politischen Einrichtungen gewesen. Er meint, dass es Alternativen (andere Möglichkeiten) im Gegensatz zur Zusammenführung von West- und Ostdeutschland geben hätte können. Etwa in der Form einer gewissen Entscheidungsfreiheit (Autonomie) für die DDR. Heuer jährt sich der Zerfall der Sowjetunion zum 25. Mal. Für die Sowjetunion war die DDR ein wichtiger Satellitenstaat, also ein Staat, der von der Sowjetunion abhängig war. Letztlich sei die Sowjetunion auch aus wirtschaftlichen Gründen zerfallen, erklärt Segert. Er sei damals in Moskau gewesen und habe mitbekommen, dass Lebensmittel wie Käse und Wurst nicht mehr gekauft werden können. – Ob Wladimir Putin, Präsident des wirtschaftlich kriselnden Russlands, die Sowjetunion wieder „aufbauen“ will, wie Dieter Segert die Rolle der politisch unter Druck stehenden Kanzlerin Angela Merkel (Anm.: CDU; bei den Landtagswahlen am 13. März in drei deutschen Bundesländern fuhr die CDU teils Verluste ein, in allen drei Bundesländern gab es einen Rechtsruck) in der Flüchtlingskrise sieht und ob er die vieldiskutierte Neuauflage der Hetzschrift „Mein Kampf“ sinnvoll findet, erfahren Sie im „Wissenschaftsradio“. Außerdem: Was Segert seinem schärfsten Kritiker entgegnet, der meint, Segert hätte für den von ihm kommunizierten „totalitären Schwachsinn“ an „keiner anderen Uni der Welt mit Ausnahme Nordkorea“ einen Lehrauftrag bekommen.

Credit: Wikimedia Commons / Fotograf: Alexander Buschorn
(https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Mauer_axb01.jpg)

Der Podcast zum Nachhören:

 


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