„Jungen Leuten nicht mehr möglich, Wohnung zu finanzieren“

Written by on 18. April 2017

Die enorm gestiegenen Immobilienpreise, für Mietwohnungen (die Mietrichtwerte sind mit 1. April gestiegen) als auch Häuser, stimmen Gerald Goger nachdenklich. Er leitet das Institut für Baubetrieb und Bauwirtschaft an der Technischen Uni (TU) Wien. Aus seiner Sicht ist hier die Politik gefordert. Mehr über seine Forschungsthemen, welches Gebäude in London ihm nicht gefällt und wie er über das „Weiße Haus“ denkt, ist in der Sendung zu hören.

Viele Wohnungen in Wien werden dauerhaft entzogen durch die Plattform Airbnb – sagt eine Studie der TU Wien. Das macht die Lage in Vierteln, in denen der Wohnungsmarkt ohnehin schon angespannt ist, noch schwieriger. Rund 8.600 Airbnb-Unterkünfte gibt es mittlerweile in Wien, mehr als sechsmal so viele wie vor drei Jahren. Das Department („Abteilung“) für Raumplanung der Technischen Uni Wien stellte fest, dass rund 2000 Wohnungen dauerhaft an TouristInnen vermietet werden und damit nicht mehr dem klassischen Wohnungsmarkt zur Verfügung stehen. – Laut der Wirtschaftskammer Wien stehen andererseits in der Bundeshauptstadt etwa 20.000 Wohnungen leer. Die Preise für Wohnungen und Häuser in Österreich steigen indes enorm. Neue Wohnungen sind im Preis um 39 Prozent gestiegen, neue Häuser kosten 45 Prozent, also fast um die Hälfte, mehr. „Die Entwicklung der Wohnungspreise verfolge ich mit. Ich sehe auch, und das ist ein gesellschaftspolitisches Problem, dass es jungen Leuten, Durchschnittsverdienern, nicht mehr möglich ist, in Wien sich eine vernünftige Wohnung zu finanzieren“, so Gerald Goger. Hier sieht er die Politik gefordert: „Das kann aus meiner Sicht der Markt nicht regeln. Hier müsste die Politik eingreifen und das eine oder andere ,heiße Eisen‘ angegriffen werden. Geschlossene Verträge sind einzuhalten. Dass aber durchaus vermögende Personen in Altbauten leben, mit einem Friedenskronen-Zins, das ist eigentlich im Lichte von jungen Familien, die Wohnraum suchen, nicht einzusehen.“ – Das Thema „Bauen“ sorgt in Österreich immer wieder für Aufregung. Beispiel: Der Wiener Heumarkt. Die Pläne für das Areal (66-Meter-Wohnturm) führten bereits zu heftigen Diskussionen. Das umstrittene Projekt hat im Wiener Gemeinderat aber am 1. Juni die notwendige Mehrheit bekommen. Im Juli setzte die UNESCO (Weltkultur-Erbe-Kommitee/“Rat“) aber Wien auf die rote Liste: Vor allem wegen des Hochhaus-Projektes könnte der Stadt drohen, den Status des Weltkulturerbes zu verlieren.

Mit der Digitalisierung von Bauvorgängen beschäftigt sich Gerald Goger u. a. an der TU Wien. „Es muss uns langfristig gelingen, Produktionsprozesse (im Bauwesen, Anm.) digital zu verknüpfen. Also, dass es uns beispielsweise gelingt, die Beton-Mischanlage, den Beton-Mischwagen und den Krankübel auf der Baustelle digital miteinander zu verbinden. So, dass der Kranfahrer die Information bekommt: ,Der Mischwagen ist noch zehn Kilometer von der Baustelle entfernt. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25 km/h im städtischen Gebiet ist damit zu rechnen, dass er in den nächsten 20 Minuten auf der Baustelle ist.'“

Gogers geschultes Auge ist durchaus kritisch, was bekannte Gebäude betrifft. Die in der Londoner City heiß diskutierte „Shard“ („Glasscherbe“), ein Wolkenkratzer, der mit 11.000 Scheiben komplett verglast ist, gefällt ihm architektonisch nicht: „Ich finde, dass es von seinem Abmessungen und von der Platzierung her dort nicht hineinpasst. Aber das ist meine reine Privatmeinung.“ – Ein anderes Gebäude, das nahezu jeden Tag aufgrund der Politik Donald Trumps in den Schlagzeilen zu finden ist, ist das „Weiße Haus“ in Washington. „Es zeichnet sich nicht durch eine moderne, zeitgemäße Architektur aus“, so Goger. „Da gefällt mir beispielsweise das Regierungsviertel in Berlin, der Deutsche Bundestag, viel besser.“ – Über eine interessante Untersuchung, welche die TU mit der Wirtschaftskammer Wien macht und bei der bis September 2017 Ergebnisse vorliegen sollen, erzählt er in der Sendung. Außerdem: Eine spannende Challenge, bei der es darum geht, schwindelerregende Höhen zu bezwingen und einen Turm zu bauen.

Der Podcast zum Nachhören:


Credit: Pixabay / Public Domain


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